Vier Monate hatten Mitglieder des Projekts „Arbeit für Geflüchtete“ von Welcome to Wandsbek (WTW) mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) darüber gesprochen – Mitte Juli war es endlich soweit. In einer knapp zweistündigen Veranstaltung informierten Behördenvertreterinnen Geflüchtete über die verschlungenen Pfade, die zu einem Arbeitsplatz führen.
Endlich auf eigenen Füßen stehen …

Gut 450 Männer, Frauen und Kinder leben derzeit unter schwierigsten Bedingungen in der Erstaufnahmeeinrichtung Jenfelder Moorpark. Der für die Veranstaltung gewählte größte Raum des Camps platzte aus allen Nähten. Über 60 Männer, erheblich mehr als geplant, waren der Einladung gefolgt. Ihr dringender Wunsch: Raus aus der Enge des Lagers, auf eigenen Füßen stehen, selbst für den Unterhalt sorgen! Die Arbeitsvermittlerinnen Tziana Ederli und Katrin Bär hatten es nicht leicht, zu Ende zu sprechen. „Erst 15 Minuten Vortrag, dann werden alle Fragen beantwortet!“, so hatte WtW-Vertreter Wolfgang Müller den Ablauf skizziert . Aber schon nach fünf Minuten prasselten die Fragen auf die Referentinnen nur so ein. „Was haben Sie gesagt?“ „Wie heißt das?“ „ Wo soll ich hingehen?“ Und, immer wieder: „Übersetzen, übersetzen!“
Die Veranstaltung wird in englischer Sprache durchgeführt, so stand es in der Einladung. Aber niemanden wundert, dass auch Iraker, Eritreer, Afghanen und Syrer, die des Englischen nicht mächtig sind, verstehen möchten, was da gesprochen wird. So stehen in Kürze drei Dolmetscher neben den Referentinnen. Kurzfristig wird es ruhiger – aber auch zäher.
Fragen über Fragen

So endet der Vortrag über die formalen Voraussetzungen einer Arbeitsaufnahme erst nach 40 statt der geplanten 15 Minuten. Dann aber bricht das Chaos los. Jeder will die erste Frage stellen. Schließlich setzt sich ein junger Afghane durch, er spricht deutsch, ist seit 10 Monaten hier: Die Küchenleitung eines Seniorenheims hat ihm einen Arbeitsplatz zugesagt, zur Arbeitsaufnahme aber braucht er im Rahmen der „Vorrangprüfung“ nicht nur die Genehmigung der Ausländerbehörde, sondern auch die der Arbeitsagentur. Auf deren Unterschrift wartet er seit einem Vierteljahr. Drei Monate mehr, in denen er zur Untätigkeit verurteilt ist. Warum, so fragt er, dauert das so lange? Eine Frage, die auch die Arbeitsvermittlerinnen nicht beantworten können. Nach der Veranstaltung deutet eine der Referentinnen an, dass die Genehmigung, diesen Arbeitsplatz anzutreten, möglicherweise nicht erteilt wird. Grund: Über den Asylantrag ist noch nicht entschieden und nach jüngstem Regierungsbeschluss kann nach Afghanistan wieder abgeschoben werden. Angeblich gibt es dort sichere Gebiete.
Die zweite Frage aus dem Publikum hat wenig mit dem eigentlichen Thema zu tun, interessiert aber alle Flüchtlinge im Raum – und nicht nur sie: Wann werden wir verlegt? fragt ein Iraker. Wann kommen wir in eine Folgeeinrichtung? Wann endlich kommt der Transit? Mit 16 Männern schläft er seit 10 Monaten in einem Raum. Licht an, Licht aus. Rein, raus. In keiner Nacht ist an Durchschlafen zu denken. Wie lange hält man das wohl aus? Er bedankt sich dafür, in Deutschland aufgenommen worden zu sein. Aber warum hilft niemand? Viele applaudieren. Später wird er berichten, im Vorfeld von seinen Landsleuten gebeten worden zu sein, das Forum für dieses wichtige Anliegen zu nutzen.
Integration im Arbeitsmarkt beginnt mit individueller Beratung
An der Klärung von Fragen zum eigentlichen Thema ist in der geplanten Form nicht mehr zu denken. Jeder redet mit jedem, trotz geöffneter Fenster steht die Luft. „Wer noch eine Frage hat, soll nach vorne kommen“, macht sich die Veranstaltungsleitung lautstark bemerkbar. Und sofort bildet sich eine große Menschentraube um die Arbeitsvermittlerinnen und Ehrenamtler. Die beiden Arbeitsvermittlerinnen vergeben im Minutentakt Termine für Einzelgespräche im Arbeitsamt. Die Situation jedes einzelnen soll geprüft, jede berufliche Kompetenz erfasst werden. Ein schwieriges Unterfangen – aber anders ist Integration im Arbeitsmarkt nicht möglich.
Bilanz der Ehrenamtlichen
Die Verantwortlichen der Projektgruppe sehen sich bestätigt. Das Thema Arbeit ist von zentraler Bedeutung, es trifft – neben der desolaten Unterbringungssituation – den Nerv der Geflüchteten. Aber wir müssen besser werden. Keine Vielsprachigkeit in den Veranstaltungen, lieber mehrere Parallelveranstaltungen in jeweils einer Sprache! Und sind Behördenvertreter als Referenten wirklich immer erforderlich? Können wir das nicht auch selbst – vorausgesetzt, die jetzt entstandene gute Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit ermöglicht uns, auf konkrete Termine für Einzelgespräche dort zu verweisen? Die Zustimmung der Behördenvertreterinnen kommt sofort. „Na klar – macht das!“ meinen sie zu der Idee, „ihr seid in der Gestaltung viel freier“. Die Reaktion ist nicht überraschend, würden Ehrenamtliche doch auch auf diesem Feld staatliches Handeln ersetzen.
Die sehr kooperative Einrichtungsleitung des Jenfelder Moorparks jedenfalls ist zu allem bereit. „Toll, dass ihr das gemacht habt“, sagt die Sozialmanagerin Janina Fischer zum Abschied. „Es war sehr wichtig, dass die Bewohner Infos zum Thema bekamen und mit den vereinbarten Gesprächen auch eine konkrete Idee, wie’s weitergeht!“
(Autor: Alexander Weil)