Desolate Zustände: 695 Menschen in neuer Wandsbeker Flüchtlingsunterkunft „Am Stadtrand 35-37“ ohne Gemeinschaftsräume und Freiflächen ++ Flüchtlingsinitiative Welcome-to-Wandsbek kritisiert: ehrenamtliche Unterstützung und Integrationsmaßnahmen sind hier praktisch nicht
umsetzbar +++
Update 1: Das Thema wurde inzwischen vom >>>Wandsbeker Wochenblatt aufgegriffen.
Update 2: In der Hamburger Bürgerschaft gab es inzwischen eine >> Kleine Anfrage und auch die >> Antwort liegt bereits vor.
Auf der vierspurigen Straße „Am Stadtrand“ in Hamburg Wandsbek rauscht der Verkehr an Autohäusern, Kino und Elektronikmarkt vorbei. Die Adresse „Am Stadtrand 35-37 /Ecke Friedrich-Ebert-Damm“ ist eher Industriestandort als Wohngegend. Dennoch wohnen seit einigen Wochen 695 Flüchtlinge im ehemaligen Jungheinrich-Hochhaus. 370 der neuen Bewohner sind Kinder. Als einrichtungsübergreifende Flüchtlingsinitiative hat Welcome-to-Wandsbek schon bei der Planung 2015 signalisiert, auch hier einen Unterstützerkreis zu initiieren, um den neuen Nachbarn vielfältige integrative Hilfestellungen anzubieten und sie willkommen zu heißen.
Der Einrichtungsträger fördern&wohnen ließ in den vergangenen Monaten die Büros des 80er-Jahre Zweckbaus zu kleinen, einfachen Wohnungen umbauen. Die seit kurzem hier wohnenden Familien und Wohngruppen haben überwiegend eine sogenannte Bleibeperspektive, es handelt sich bei der Einrichtung also nicht um eine Erstaufnahme: hier sollen die Menschen aus Syrien, Afghanistan und Eritrea „ankommen“, sie verfügen über eigene Küchen sowie Badezimmer und richten ihre Wohnungen weitegehend selbst ein.
Im September 2015 wurden sechs großzügige Gemeinschaftsräume versprochen
Bereits am 21. September 2015 wurden die Pläne zur Wohnunterkunft Am Stadtrand 35-37 im Wandsbeker Bürgersaal vorgestellt. Die Wandsbeker Bürgerinnen und Bürger mahnten damals an, dass der ausgewählte Standort problematisch ist: es fehlt an diesem Standort an Infrastruktur. Freie Kitaplätze in der Nähe? Fehlanzeige! Die nächsten öffentlichen Spielplätze liegen relativ weit entfernt – im Eichtalpark, auf dem Dulsberg und in Jenfeld. Auch Stadtteilzentren gibt es nicht. 5 km ist das Wandsbeker Kulturschloss entfernt. Darum, so die damalige Forderung der anwesenden Mitglieder von Welcome-to-Wandsbek, müsse man in der Einrichtung selber unbedingt ausreichend Platz für Gemeinschaftsräume sowie Spiel- und Begegnungsflächen schaffen. Das sei geplant, so die Zusage der damaligen Referentinnen Christiane Kreipe und Nicole Kuhnke: In jeder der sechs Wohnetagen des Gebäudes sollte eine großzügige Gemeinschaftsfläche in der Mitte eingerichtet werden. Ausdrücklich wurde 2015 genug Platz versprochen: beispielsweise für ehrenamtliche Integrationsarbeit, Kinderbetreuung und Deutschkurse. Plus: ein großzügiger Spielplatz auf dem Dach der Tiefgarage.
Ortstermin: Brandschutz macht Planungen zunichte
Bei zwei Ortsterminen Ende Juni und Mitte Juli 2017 ist davon nicht viel zu sehen: Die Unterkunft ist inzwischen zu 100 Prozent bewohnt, doch es gibt nicht einen einzigen Gemeinschaftsraum. „Wegen hoher Brandschutzauflagen konnten die Innenflächen nicht wie ursprünglich geplant zu Gemeinschaftsräume umgebaut werden“, heißt es jetzt aus dem Bezirksamt Wandsbek. Und auch die Zuwegung zum Spielplatz sei problematischer als gedacht, deswegen sei auch dieser momentan noch abgesperrt.
Ist-Zustand: Keine Gemeinschaftsräume, ein abgesperrter Spielplatz und keine Sitzgelegenheiten
Den Mitgliedern von Welcome-to-Wandsbek bietet sich ein gemischtes Bild: Eine fröhliche Rasselbande 8-11-jähriger Kinder aus Syrien, Afghanistan und dem Irak tobt über den betonierten Innenhof, früher war das ein Parkplatz. Das ehemalige Parkdeck hinter dem Haus ist notdürftig abgesperrt. Hier entsteht ein kleiner Spielplatz. Seit Monaten wird gebaut. Die provisorischen Gitter halten die Kinder nicht davon ab, die halbfertige, verschmutze Sandfläche zu betreten und die bereits fertiggestellten Spielgeräte zu nutzen. Sitzgelegenheiten gibt es draußen bisher nirgends. Bahia, eine junge Syrerin, steht neben ihren spielenden Kindern vor der Wohnunterkunft. Sie ruft zwei Mädchen zurück, die mit einem alten Dreirad der befahrenden Straße gefährlich nahe kommen. Sie sei sehr dankbar, hier eine kleine Wohnung bekommen zu haben, sagt Bahia. Sie wolle auch keine Ansprüche stellen. Aber es sei schade, dass es in der Nähe keine Kindergartenplätze gebe und keine Räume, in denen sie sich mit anderen Müttern treffen könne. In anderen Wohnunterkünften wie im 3 Kilometer entfernten „Elfsaal“ an der Raja Ilinauk Straße, wo inzwischen 1100 geflüchtete Menschen wohnen, gibt es gleich mehrere großzügige Gemeinschaftsräume in einer restaurierten alten Schule auf dem Gelände. Dort finden Frauen-Deutschkurse statt; es gibt ein internes Café, diverse Kinderspielangebote und regelmäßige Treffen von ehrenamtlichen Unterstützer/Innen mit den Bewohnern.
In Wandsbek wollen wir ein gutes Miteinander und keine Ghettobildung
Integration und Begegnung wird in Wandsbek in allen Folgeeinrichtungen großgeschrieben. Neben Welcome-to-Wandsbek engagieren sich in den Wandsbeker Einrichtungen zahlreiche soziale Träger und Initiativen in der Flüchtlingsunterstützung. Am Stadtrand ist das derzeit nicht möglich. Dabei, so die Erfahrung der vergangenen Jahre, ist es gerade anfangs, wenn die geflüchteten Menschen neu in den Stadtteil kommen, immens wichtig, aufeinander zuzugehen, um ein gutes Miteinander zu erreichen. Integration muss von Anfang an greifen, bevor sich ein Ghetto bildet.
Wir, die Unterstützerinnen und Unterstützer von Welcome-to-Wandsbek, halten Integration für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir sind enttäuscht, dass die Planungen und Versprechen aus dem September 2015 nicht eingehalten wurden und fordern die sofortige Nachbesserung der baulichen Gegebenheiten in der Wohnunterkunft Am Stadtrand, was folgende Punkte umfasst:
- die schnellstmögliche Bereitstellung eines sicheren Außen-Spielplatzes mit Sitzgelegenheiten
- Einrichtung mehrerer Gemeinschaftsräume in der Unterkunft
- Absicherung der Freifläche zur Straße Am Stadtrand
- Bereitstellung wohnortnaher Kita-Plätze
Text: Mareke Happach/Alexander Weil
Fotos: Alexander Weil